Ge­le­gent­lich wer­den wir ge­fragt, warum in allen Hen­le-Aus­ga­ben die Ton­ge­schlech­ter mit Klein­buch­sta­ben ge­schrie­ben wer­den, also zum Bei­spiel „A-dur“. Im Duden steht doch klar und deut­lich „A-Dur“ – und das nicht erst seit der letz­ten Recht­schreib­re­form…? Aber die Vor­ge­schich­te ist etwas älter – selbst als Kon­rad Duden per­sön­lich.

Die Be­grif­fe Dur und Moll lei­ten sich be­kannt­lich aus den la­tei­ni­schen Ad­jek­ti­ven durus (‘hart’) und mol­lis (‘weich’) ab, die in der mit­tel­al­ter­li­chen Mu­sik­theo­rie zur Be­zeich­nung be­stimm­ter Tonska­len (der so­ge­nann­ten He­xa­ch­or­de) ein­ge­führt und spä­ter auf un­se­re mo­der­nen Ton­lei­tern über­tra­gen wur­den.

Bis zur Mitte des 20. Jahr­hun­derts, als La­tein noch all­ge­mei­nes Bil­dungs­gut war, scheint die Her­kunft der Be­grif­fe und vor allem ihr ad­jek­ti­vi­scher As­pekt noch stark ge­gen­wär­tig ge­we­sen zu sein. Des­we­gen fin­det man auf Mu­si­ka­li­en und in der Fach­li­te­ra­tur ganz über­wie­gend die Schrei­bung „A dur“ (auch noch ohne Bin­de­strich, also ge­wis­ser­ma­ßen „A hart“) und ana­log „A moll“. Ei­ni­ge re­prä­sen­ta­ti­ve Bei­spie­le:

Beet­ho­ven-Ge­samt­aus­ga­be, Breit­kopf & Här­tel, Leip­zig 1862

Sim­rock, Ber­lin 1887

Uni­ver­sal-Edi­ti­on, Wien 1926

Das la­tei­ni­sche Erbe zeigt sich auch darin, dass bei Tex­ten in Frak­tur die Ton­ar­ten stets in An­ti­qua-Schrift er­schei­nen, die nur für Fremd­spra­chen ver­wen­det wurde – wie in den fol­gen­den Bei­spie­len aus drei maß­geb­li­chen Nach­schla­ge­wer­ken, die eben­falls durch­weg die Klein­schrei­bung von Dur und Moll be­fol­gen:

Jo­hann Hein­rich Zed­ler, Gros­ses voll­stän­di­ges Uni­ver­sal-Le­xi­con aller Wis­sen­schaff­ten und Küns­te, Bd. 3 (Halle/Leip­zig 1732)

Brock­haus’ Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kon (14. Aufl. Leip­zig 1894–1896)

Rie­mann’s Mu­sik­le­xi­kon (7. Aufl. Leip­zig 1909)

In star­ke Kon­kur­renz zu die­ser Tra­di­ti­on trat al­ler­dings die häu­fi­ge Ver­wen­dung der bei­den Be­grif­fe in sub­stan­ti­vier­ter Form: Wen­dun­gen wie „ein Stück in Moll“, „nach Dur mo­du­lie­ren“ u.ä. lie­ßen die ur­sprüng­li­che Be­deu­tung ver­blas­sen und sind wohl dafür ver­ant­wort­lich, dass sich neben „A-dur“ auch die Schrei­bung „A-Dur“ eta­blier­te. Die für die deut­sche Recht­schrei­bung maß­geb­li­che In­stanz, der Duden, wech­sel­te al­ler­dings erst im ver­bes­ser­ten Neu­druck der 14. Auf­la­ge 1958 von der vor­her ver­tre­te­nen Klein­schrei­bung zum „gro­ßen Dur“.

Um die Ver­wir­rung kom­plett zu ma­chen, wurde da­ne­ben seit Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts eine Kurz­schrei­bung der Ton­art nur mit dem Ton­buch­sta­ben üb­lich, wobei hier die Groß- bzw. Klein­schrei­bung das Ton­ge­schlecht angab. Also zum Bei­spiel: „4 So­na­ten op.12 Des, a, H, cis“ meint die Ton­ar­ten Des-dur, a-moll, H-dur, cis-moll. Die­ses Prin­zip fand auch Ein­gang in die Lang­schrei­bung, so dass z.B. neben „A-moll“ auch „a-moll“ sowie „a-Moll“ ge­bräuch­lich wur­den. Aber selbst die Va­ri­an­te „A-Moll“ ist zu fin­den. Und von Bin­de­strich und Kur­si­vie­rung wol­len wir dabei gar nicht erst reden…

Zu­sam­men­fas­send und etwas sa­lopp ge­sagt: im Grun­de lässt sich für jede Schrei­bung ein his­to­ri­scher Beleg und eine plau­si­ble Be­grün­dung fin­den. Als Gün­ter Henle 1948 sei­nen „Ver­lag zur Her­aus­ga­be mu­si­ka­li­scher Ur­tex­te“ grün­de­te, wähl­te er selbst­ver­ständ­lich die da­mals gän­gi­ge Schrei­bung, für die er im üb­ri­gen das denk­bar beste Vor­bild hatte: auch die erste Auf­la­ge der re­nom­mier­ten Mu­si­ken­zy­klo­pä­die Die Musik in Ge­schich­te und Ge­gen­wart (er­schie­nen ab 1949) ver­wen­det durch­ge­hend die Schrei­bung „A-dur“ bzw. „a-moll“.

Heute fol­gen wir bei der Ge­stal­tung un­se­rer Aus­ga­ben der Ein­heit­lich­keit hal­ber der Ver­lags­tra­di­ti­on, die Gün­ter Henle be­grün­det hat, selbst wenn dies manch einem un­zeit­ge­mäß vor­kom­men mag. Aber steckt in die­ser Schreib­wei­se, die alle un­se­re (deutsch­spra­chi­gen) Kom­po­nis­ten von Bach bis Reger genau so ver­wen­det haben, nicht auch ein Stück „Ur­text“…?

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9 Antworten auf »A-Dur oder A-dur? Große Fragen um ein kleines „d“«

  1. Johann Pascher sagt:

    Gibt es dafür einen Beleg?

    “der Duden, wechselte allerdings erst in der 14. Auflage 1958 von der vorher vertreteten Kleinschreibung zum „großen Dur“.

    1958 gab es keine Duden-Auflage, 1951/1954 schon: http://www.duden.de/ueber_duden/auflagengeschichte

    MfG JP

    • Vielen Dank für Ihre aufmerksame Lektüre – die Duden-Seite führt allerdings nicht sämtliche Ausgaben auf, es gab in der Tat 1958 einen “1., verbesserten Neudruck” der 14. Auflage (siehe http://d-nb.info/456816879), den ich herangezogen habe. Ich habe die Stelle aber nun entsprechend präzisiert!

  2. Johann Pascher sagt:

    Danke für die Antwort!
    Ist damit auch sichergestellt, dass diese Schreibweise das erste mal im Nachdruck von 1958 im Duden verwendet wurde?

    • Natürlich habe ich, um diese Aussage treffen zu können, auch die Vorauflagen konsultiert… die alle noch die Kleinschreibung aufweisen. Sollten Sie aber einen gegenteiligen Beleg finden, bin ich für Hinweise dankbar.

  3. Johann Pascher sagt:

    Ich habe eine Anfrage an den DUDEN Kundendienst gestellt.

    In der Antwort die ich erhielt heißt es: “Im ersten Nachdruck dieser Auflage (1956) heißt es dann auch „a-Moll“.”

    Mit freundlichen Grüßen, Johann Pascher

  4. Dara sagt:

    Das ist eben ein typisches Sprachparadox – einmal klein und einmal groß geschrieben. Für solche Wörter gibt es eher gar keine feste Regel. Die Wissenschaftler streiten oft darüber und diskutieren heftig, welche Lösung in Frage kommt und was eher nicht akzeptiert werden darf. Die Regeln (und das gilt insbesondere für Sprachregeln) sind variabel und ändern sich. Ein Beispiel dafür: es gibt keinen eindeutigen Beleg, ob das Wort “umso” oder auch “um so” getrennt oder zusammen geschrieben wird.

  5. Pingback: Trara die Post ist da | doppelhorn.de

  6. Klaus Peters sagt:

    Betr.: Tongeschlechter
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    was spricht gegen die Großschreibung Dur und Moll, wenn man die Formulierungen
    “aus Dur”, “aus Moll” und “in Dur”, “in Moll”
    berücksichtigt.
    “Dur” und “Moll” sind Substantive, werden also groß geschrieben.
    Also, wenn man nicht der Tradition Ihres ehrwürdigen Hauses folgen muß:
    “A-Dur” und a-Moll”!
    (Es geht mir ein bißchen um sprachliche Klarheit in Konzertprogrammen, CD-Büchlein und Internetinformationen.)
    Mit Dank für Ihre Geduld und freundlichen Grüßen
    Klaus Peters

  7. Rico Blees sagt:

    Guten Tag,

    ich habe mich für die klare Mischform entschieden: a-moll, A-Dur. Alles andere verursacht bei mir erheblich entzündete Augen.

    ;)

    Für die Kleinschreibung spricht übrigens auch die Handhabe in anderen Ländern, z.B. den Niederlanden: A groot, a klein oder Frankreich: la majeur, la mineur oder Italien: la maggiore, la minore – überall wird das Geschlecht adjektivisch verwendet, so wie das Geschlecht als solches (männlich/weiblich) eben auch ein Adjektiv ist. Insofern ist die Schreibweise A-dur/a-moll ziemlich logisch. Trotzdem empfinde ich persönlich die holländische Art die klügste und bleibe bei Großschreibung für Dur und Kleinschreibung für moll. Außerdem kann man das „in“ resp. „aus“ getrost weglassen; das ist überflüssig. Wenn eine Claviersonate nicht IN irgendeiner Tonart steht, was tut sie dann…?

    Herzlich,
    RB

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