Fanny Hensel
Ausgewählte Klavierwerke
Fanny Hensel, die Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, komponierte ihr Leben lang. Zunächst veröffentlichte sie ihre Lieder und Klavierwerke im Namen ihres bekannten Bruders, bald aber auch unter ihrem eignen Namen. In einem Tagebucheintrag heißt es: „Ich kann wohl nicht leugnen, dass die Freude an der Herausgabe meiner Musik auch meine gute Stimmung erhöht.“ Glücklicherweise gewährte Fanny Hensels Urenkelin Fanny Kistner-Hensel dem G. Henle Verlag den Zugang zu einer bisher unveröffentlichten Auswahl von elf Klavierstücken und edierte diese nach den Autographen selbst. Auf frühe, klavierpädagogisch ausgerichtete Stücke folgen in chronologischer Reihenfolge persönlicher gehaltene Charakterstückewie etwa das Notturno in g-moll und „Abschied von Rom“, die ab Mitte der 1830er-Jahre entstanden.
Inhalt/Details
Über den Komponisten
Fanny Hensel
Die Komponistin und Pianistin hat ein umfangreiches Œuvre von etwa 460 Kompositionen hinterlassen, überwiegend Lieder und Klavierkompositionen sowie einige Kammermusikwerke, Chormusik, Kantaten und eine Ouvertüre. Ihre Kompositionen, die denen ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy nicht nachstehen, führte sie selbst (auch als Dirigentin) in privatem Rahmen in den Salons im Hause ihrer Eltern auf.
1805 | Sie wird am 14. November in Hamburg als ältestes Kind des Bankiers Abraham Mendelssohn geboren. |
1811 | Übersiedlung nach Berlin. |
1816 | Die Kinder werden evangelisch reformiert getauft. Klavierunterricht bei Marie Bigot während einem Parisaufenthalt, in Berlin bei Ludwig Berger. |
1819 | Kompositionsunterricht zusammen mit Felix bei Carl Friedrich Zelter; Komposition von Liedern. |
1820 | Eintritt in die von Zelter geleiteten Singakademie mit Felix und der jüngeren Schwester Rebecka. |
1821 | Die ersten, teils öffentlichen Sonntagsmusiken finden im Hause Mendelssohn statt. Fanny tritt als Pianistin, später als Dirigentin und Komponistin auf. Ab 1831 übernimmt sie die Leitung. |
ab 1825 | Anonyme Publikation eigener Kompositionen, die Lieder „Das Heimweh“ (1824), „Italien“ (1825) und „Suleika und Hatem“ (1825) erscheinen in den Sammlungen op. 8 (1827) und „Sehnsucht“ (1827), „Verlust“ (1828) und „Die Nonne“ (1822) in op. 9 (1830) ihres Bruders. |
1829 | Sie heiratet den Königlich Preußischen Hofmaler Wilhelm Hensel. |
1830 | Geburt des einzigen Sohnes Sebastian Felix Ludwig. Kantaten „Lobgesang“ (ihrem Sohn gewidmet), „Hiob“ und „Choleramusik“ (1831), „Zum Fest der heiligen Cäcilia“ (1833). |
1831/32 | Konzertarie „Hero und Leander“. |
1838 | Darbietung des 1. Klavierkonzerts von Felix als einzig belegter öffentlicher Auftritt. |
1841 | Klavierzyklus „Das Jahr“ mit Bildern ihres Mannes. |
1843 | Klaviersonate g-Moll in Auseinandersetzung mit Beethovens Werken. |
1846 | Veröffentlichung der „Sechs Lieder für eine Stimme mit Begleitung des Pianoforte“ op. 1 als erste unter eigenem Namen. „Vier Lieder für das Pianoforte“ op. 2, op. 6 (1847), op. 8 (1850), Pendant zu Felix’ Liedern ohne Worte, in kühnerer Harmonik und größeren Ausmaßen. |
1847 | Sie stirbt am 14. Mai an einem Schlaganfall während der Proben zu einer Sonntagsmusik in Berlin. |
Über die Autoren
Hans-Martin Theopold (Fingersatz)
Prof. Hans-Martin Theopold wird am 22. April 1904 als jüngstes von fünf Kindern einer Pfarrfamilie in Detmold geboren. Schon als Kind spielt er häufig die Orgel der „Marktkirche“ und nimmt bald Klavierunterricht (bei Theodor Vehmeier), mit 17 Jahren debütiert er als mit Ludwig van Beethovens Klavierkonzert C-dur am Detmolder Landestheater unter der Leitung von Friedrich Quast (Herford). Nach am Gymnasium Leopoldinum Detmold bestandenen Abitur studiert er Musik und Klavier (Hauptfach): 1922–23 zunächst an der Württembergischen Hochschule für Musik in Stuttgart (bei Max von Pauer, 1866–1945) und daraufhin 1923–1928 an der staatlichen akademischen Hochschule für Musik in Berlin-Charlottenburg (bei Richard Rössler, 1880–1962, und Waldemar Lütschg, 1877–1948). Im Anschluss an seine mit Prädikatsnote „sehr gut“ abgeschlossenen Klavierstudien im Jahr 1928 entfaltet Theopold eine rege solistische Konzerttätigkeit im In- und Ausland (USA, Schweiz, Skandinavien, Baltikum, Balkan). Auch als Mitglied der Kammermusikvereinigung der Staatsoper Berlin (seit 1933) gibt er unzählige Kammermusikkonzerte, unter anderem mit seinem langjährigen Violinpartner Gustav Havemann (1882–1960).
Publikum und Presse feiern Theopold in den 1930er-Jahren als außerordentliche Pianisten-Begabung: „Dieser junge Künstler hat das Zeug in sich, in Bälde einer der besten Spieler Deutschlands zu werden. Eine überragende Technik, ein wundervoll singender Klavierton, eine titanische Kraft, der durch eine unvergleichlich weiche Elastizität des Anschlages jede Härte genommen ist“ [Münchener Zeitung, 21. November 1933]. – „Von seinem blendenden pianistischen Können gab H. M. Theopold überzeugende Beweise in einer modern gerichteten, stark fesselnden Sonate von Alban Berg, vor allem aber in Schuberts […] in geschliffener Technik und gestalterischer Kraft gespielter Wanderer-Fantasie“ [Weser-Zeitung, 21. Dezember 1932]. Theopold erhält mehrere Preise, darunter schon 1928 den „Grotrian-Steinweg-Preis“.
Im Jahr 1937 wird Theopold zum Vertragslehrer für das Hauptfach Klavier am „Bayerischen Staatskonservatorium der Musik“ in Würzburg ernannt. 1939 erfolgt die Verehelichung mit der aus Moskau stammenden Irene Tatjana Wülfing. Ab 1943 übernimmt Hans-Martin Theopold die Leitung der Meisterklasse für Klavier an der „Nordischen Musikschule“ in Bremen, die durch die Kriegsereignisse abgebrochen wird. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft konzertiert und unterrichtet Theopold ohne Festanstellung. 1955–1956 fungiert er zunächst als Leiter der Meisterklasse für Klavierspiel des „Bergischen Landeskonservatoriums“ Wuppertal und wird schließlich am 1. April 1956 zum Professor für das Fach Klavier an das „Staatliche Institut für Schul- und Volksmusik“ in Detmold, später „Nordwestdeutsche Musikakademie Detmold“ (heute „Hochschule für Musik Detmold“) berufen. Hier entfaltet er eine jahrzehntelange rege Lehrtätigkeit. Am 30. September 1969 wird er in den Ruhestand verabschiedet. „Seine Schüler rühmen an ihm seine pädagogische Begabung. […] Humor, Charme, Hilfsbereitschaft und Herzensgüte mildern die Strenge seiner Berufsauffassung als Musiker und Lehrer“ (Lippische Rundschau, 23.4.1969; siehe auch: Lippische Landeszeitung 22.4.1969 zum 65. Geburtstag Theopolds: „Prof. Theopold, ein bescheidener, gleichwohl vitaler Mann, ist ein begeisterter Pädagoge“). Im Jahr 2000 stirbt Theopold in Detmold.
Der Kontakt zu Günter Henle kam unmittelbar nach Gründung des Verlags zustande, als sich Theopold mit großem Enthusiasmus für die ersten Urtextausgaben des gerade gegründeten Musikverlags bedankte. Eine umfangreiche Korrespondenz des Verlagsarchivs wurde 2014 der Lippischen Landesbibliothek vermacht, um sie der interessierten Öffentlichkeit langfristig zugänglich zu machen. Diese Korrespondenz beweist einerseits Theopolds starkes Interesse an musikalischen Quellen- und Textfragen, andererseits seine anfängliche strikte Ablehnung (!) von Fingersätzen in solchen textkritischen Ausgaben: „Denn Fingersätze sind und bleiben trotz aller Qualität eine individuelle Angelegenheit“ (Brief an Günter Henle vom 26. Mai 1949). Günter Henle lässt sich jedoch nicht beirren und pocht auf die Notwendigkeit von Fingersätzen in seinen Urtextausgaben: „Es ist doch besser, man bringt den Urtext […] mit Fingersätzen, die für einige wenige entbehrlich sind oder gar, ich gebe es zu, vielleicht da und dort störend empfunden werden“ (Brief an Hans-Martin Theopold vom 17. September 1953).
Erst im Jahre 1955 nimmt Hans-Martin Theopold erstmals das Angebot Günter Henles an, versuchsweise Fingersätze für eine gerade im Entstehen begriffene Urtextausgabe beizusteuern (HN 74, Schubert, Tänze für Klavier, Band 1). In rascher Folge bekommt Theopold daraufhin nahezu sämtliche Fingersatzaufträge für Neuerscheinungen des Verlags übertragen. Günter Henle, selbst ein guter Klavierspieler, schätzte die Fingersätze Theopolds sehr, auch seine damit verbundenen zahlreichen Anregungen, den eigentlichen Notentext betreffend. Außerdem war Theopold in der Zusammenarbeit stets zuverlässig, gründlich und gewissenhaft – ein nicht unwesentlicher Aspekt in der Verlagsarbeit.
Hans-Martin Theopold hat deshalb bis heute mit großem Abstand die meisten Urtext-Ausgaben des G. Henle Verlags mit seinen Fingersätzen versehen. Es sind schließlich 226 Editionen (!) geworden. Eine Laudatio des G. Henle Verlags, im Jahre 2014 aus Anlass einer Gedenkfeier zu Theopolds 110. Geburtstag verfasst, kann man » hier lesen. Wir danken Frau Margot Theopold sowie der Hochschule für Musik Detmold für vielfältige Unterstützung und Bereitstellung biographischen Materials.
G. Henle Verlag
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