Wolfgang Amadeus Mozart
Divertimento KV 563 · Fragment KV Anh. 66
Nicht wenige Kenner und Liebhaber zählen Mozarts Streichtrio in Es-dur KV 563 zu seinen großartigsten Kompositionen. Den Urtext-Herausgeber stellt dieses als „Divertimento“ in Mozarts eigenhändigem Werkverzeichnis unter dem 27. September 1788 eingetragene Meisterwerk vor große Herausforderungen. Denn das Autograph ist seit jeher verschollen, noch sind sonstige Quellen ersten Ranges vorhanden. Die zuverlässigste, wenn auch offenkundig ungenaue Quelle bildet die zwei Monate nach Mozarts Tod erschienene Erstausgabe. Viele Ausgaben des 20. Jahrhunderts druckten jedoch leider den Notentext der sog. „Alten Gesamtausgabe“ von Breitkopf & Härtel nach, die kein Geringerer als der Geiger Joseph Joachim auf Basis falscher Vorlagen edierte und die daher vollständig korrumpiert ist. Auch die „Neue Mozart-Ausgabe“ ist nicht frei von Fehlern. Die Henle-Ausgabe folgt im Wesentlichen der Erstausgabe, jedoch unter Zuhilfenahme zahlreicher korrigierender Eingriffe, die im Kritischen Bericht kommentiert werden. Im Anhang der Edition findet sich der nur fragmentarisch überlieferte Streichtrio-Satz in G-dur KV Anh. 66 (562e). Welch ein Unglück, dass Mozart diese ebenfalls wundervolle Musik nicht vollendete – sie geht immerhin etwas über die Exposition hinaus und eignet sich somit gut für eine kleine Zugabe. Die drei Einzelstimmen bieten dank raffinierter Layouteinteilung, wie beispielsweise diverser Ausklapptafeln und unbedruckt gelassener Einzelseiten, einen optimalen Lese- und Spielfluss. Die separat lieferbare Studien-Edition (HN 9625) bietet die Partitur zu dieser Stimmenausgabe.
Inhalt/Details
Über den Komponisten
Wolfgang Amadeus Mozart
Mozart ist einer der wenigen Komponisten, die in allen Gattungen Meisterwerke hervorbrachten. Durch seine bereits früh unternommenen Konzertreisen gewann er viele unterschiedliche musikalische Eindrücke (London, Mannheim, Italien, Paris), die er in seinen Jugendjahren assimilierte und die die Voraussetzung für seine spätere vollendete Musiksprache bildeten.
1756 | Er wird am 27. Januar in Salzburg als Sohn des Musikers und späteren Hofkomponisten Leopold Mozart geboren. Sehr früher, geregelter Musikunterricht durch den Vater ab 1761, erste Kompositionen mit 5 Jahren. |
1763–66 | Längere Konzertreise durch verschiedene dt. Städte und nach Paris, London, Amsterdam, in die Schweiz. Er komponiert seine ersten Sonaten für Violine und Klavier KV 10-15, Königin Charlotte gewidmet, sowie die ersten in London entstandenen Sinfonien KV 16, 19, die den Einfluss der Werke Johann Christian Bachs und Karl Friedrich Abels zeigen (Form der dreisätzigen ital. Sinfonia). |
1767 | Uraufführung des geistlichen Singspiels „Die Schuldigkeit des ersten Gebotes“ KV 35 (mit Michael Haydn und Anton C. Adlgasser verfasst) und des Intermediums „Apollo et Hyacinthus“ KV 38 in Salzburg. Reise mit Vater und Schwester nach Wien. |
1768 | Vermutlich Uraufführung des Singspiels „Bastien und Bastienne“ KV 50 in Wien. Komposition seiner ersten Messen. |
1769 | Aufführung des dramma giocoso „La finta semplice“ KV 51 in Salzburg. |
1769–71 | Zwei Italienreisen; er trifft u.a. auf Farinelli, P. Nardini und Padre Martini, auf der zweiten Reise mit Hasse zusammen. Uraufführungen der Opera seria „Mitridate, Re di Ponto“ und der Festa teatrale „Ascanio in Alba“ in Mailand 1770 und 1771. Komposition von Sinfonien und des 1. Streichquartetts (1770, KV 80). |
1771 | Komposition des Oratoriums „La Betulia liberata“ KV 118 in Salzburg/Italien. |
1772 | Uraufführung der Serenata drammatica „Il sogno di Scipione“ KV 126 zum Amtsantritt des Salzburger Erzbischofs Hieronymus Graf Colloredo. Er erhält eine Anstellung als besoldeter Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle (der er seit 1769 als unbesoldetes Mitglied angehörte). Dritte Italienreise mit dem Vater, Uraufführung des Dramma per musica „Lucio Silla“ in Mailand mit gutem Erfolg. Die letzte Italienreise bedeutet den Abschluss seiner jugendlichen Phase der Aneignung: Er hat alle wichtigen Instrumentalgattungen (Sinfonie, Sonate, Streichquartett) und alle gängigen Operngattungen (Singspiel, Opera buffa, Opera seria, Festa teatrale) erprobt. |
ab 1773 | Komposition von Streichquartetten (KV 168-173) unter dem Einfluss von Haydn, von Sinfonien, Divertimenti, Serenaden. Er widmet sich, bedingt durch seine Dienstpflichten, verstärkt der Kirchenmusik; es entstehen mehrere Messen. Beginn der Komposition von Violin- und Klavierkonzerten. |
1775 | Uraufführung des dramma giocoso „La finta giardiniera“ in München und der Serenata „Il Rè pastore“. Klaviersonaten KV 279-284. |
1777 | Er legt seinen Posten vorübergehend nieder, um eine Bewerbungsreise mit der Mutter nach München, Mannheim und Paris anzutreten. |
1778 | Komposition der Pariser Sinfonie D-Dur (KV 297). Er erlebt in Paris den Streit zwischen Gluckisten und Piccinnisten. Druck von Violinsonaten. |
1779 | Er tritt seinen Dienst in Salzburg wieder an, als Hoforganist. Krönungsmesse C-Dur. |
1781 | Uraufführung der Tragédie lyrique „Idomeneo“ in München, in der frz. mit ital. Elementen synthetisiert werden. Reise nach Wien. Nach dem Bruch mit dem Erzbischof in Salzburg legt er seinen Posten nieder, siedelt nach Wien über und verdient seinen Unterhalt als freier Komponist, durch Konzert- und Lehrtätigkeit. Seine letzte große Schaffensperiode beginnt. |
1782 | Er lernt bei Baron van Swieten Werke von Bach und Händel kennen; daraufhin bearbeitet er Bach’sche Fugen und bringt den „gelehrten Stil“ (Fugen und Kontrapunkt) neben dem „galanten“ in seine Werke ein (u. a. Streichquartett G-Dur KV 387, 1782; Klaviersonate F-Dur KV 533, 1786; Jupiter-Sinfonie KV 551, 1788; „Zauberflöte“ und Requiem d-Moll KV 626, beide 1791). Uraufführung des Singspiels „Die Entführung aus dem Serail“ in Wien. Komposition der Haffner-Sinfonie D-Dur KV 385. |
1783 | Messe in c-Moll KV 427, Linzer Sinfonie C-Dur KV 425. |
1784 | Jagd-Quartett B-Dur KV 458. |
1785 | Uraufführung des Oratoriums „Davide penitente“ KV 469 in Wien. Dissonanzen-Quartett C-Dur KV 465. |
1786 | Uraufführung der Komödie mit Musik „Der Schauspieldirektor“KV 486, über die Salieris Konkurrenzwerk „Prima la musica e poi le parole“ siegt. Uraufführung der Opera buffa „Le nozze di Figaro“ in Wien, deren ausgedehnte Handlungs-Finali einen Höhepunkt der Buffo-Oper bilden. Prager Sinfonie D-Dur KV 504. |
1787 | Serenade G-Dur (Eine kleine Nachtmusik) KV 525. Er wird zum K.-k.-Kammer-Kompositeur ernannt. Uraufführung des Dramma giocoso „Il dissoluto punito ossia Il Don Giovanni“ in Prag, das eine Synthese von ernster und heiterer Oper bildet. |
1788 | Komposition der großen Sinfonien Es-Dur KV 543, g-Moll KV 550 und C-Dur (Jupitersinfonie) KV 551. Klarinettenquintett A-Dur KV 581. |
1790 | Uraufführung des Dramma giocoso „Così fan tutte ossia La scuola degli amanti“ in Wien. |
1791 | Uraufführung der Opera seria „La clemenza di Tito“ in Prag und des Singspiels „Die Zauberflöte“ in Wien. Klarinettenkonzert A-Dur KV 622. Das Requiem bleibt unvollendet. Er stirbt am 5. Dezember in Wien. |
Über die Autoren
Wolf-Dieter Seiffert (Herausgeber)
Dr. Wolf-Dieter Seiffert, geboren 1959 in Frankfurt/M., studierte Musikwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als Stipendiat der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ wurde er 1990 über „Mozarts frühe Streichquartette“ promoviert (Rudolf Bockholdt). Im selben Jahr trat Seiffert in den G. Henle Verlag als Lektor ein. Die Günter Henle Stiftung finanzierte ihm ein berufsbegleitendes kaufmännisches Studium an der Universität St. Gallen, KMU-HSG, das er mit Diplom abschloss. Seit 2000 ist Seiffert geschäftsführender Verlagsleiter.
Seiffert hat zahlreiche Urtextausgaben im G. Henle Verlag vorgelegt, überwiegend von Werken Mozarts.
Einmal mehr nimmt sich der Henle-Verlag der musikarchäologischen Aufgaben an und rekonstruiert und korrigiert fehlerhafte Tempoüberschriften und falsche Bindebögen. Diesmal beim Divertimento für Streichtrio, das oft als kammermusikalisches Juwel angesehen wird.
Schweizer Musikzeitung... bei dieser Ausgabe zahlreiche, teils gravierende Abweichungen von früheren Ausgaben (etwa der durch Hermann besorgten Edition bei Peters) in Sachen Artikulation und Dynamik zu vermerken sind, an denen nun kein Weg mehr vorbei führt, will man sich dem Werk ernsthaft nähern. ... Für die Spieler vielleicht relevanter als Quellenforschungskrimis dürften die Folgen sein: die "neuen" alten Striche machen viele Veränderungen erforderlich, die insgesamt zur sparsameren Verwendung des Bogens, zu luftigerem Strich zwingen - und vielleicht auch zu etwas rascheren Tempi. ... Großer Vorteil: Taktzahlen, vorbildlich übersichtliches Notenbild und sehr überlegte Wendestellen, für die man dankbar sein kann. Erwähnt werden muß außerdem der Fragmentsatz KV Anh. 66; ... ein reizvoller Blick auf einen unbekannten, unfertigen "Mozart" aus der Zeit um 1790/91.
Das LiebhaberorchesterUne partition qui fait partie de ses S.uvres de musique de chambre les plus accomplies. ... Cette partition fournit des commentaires détaillés de la genèse de ces 2 partitions.
Ecouter voir... Darum sollte Musikkritik unmißverständlich gute Ausgaben gut, mangelhafte aber schlecht nennen. Die Mozart-Ausgaben des Henle-Verlags, von denen hier eine Auswahl der jüngsten Produktion angezeigt wird, gehören allesamt zu den guten.Vom einstigen Lektor, dem inzwischen zum Verlagsleiter aufgestiegenen Wolf- Dieter Seiffert stammen die Editionen der beiden gewichtigsten Kammermusikwerke dieser Reihe, des Klavierquintetts KV 452 und des Divertimentos KV 563. Ersterer liegt das Autograph zugrunde, das in der Pariser Nationalbibliothek aufbewahrt wird, letztere folgt in Ermangelung einer mozartschen Eigenschrift dem postumen Erstdruck im Wiener Artaria-Verlag von 1792. Für die Gründlichkeit der investierten Quellenarbeit spricht im Falle des Quintetts die Einsicht, daß die alternative Schlußversion des Stücks, bislang (auch in der NMA) als von Mozart stammend angesehen, eine Fälschung darstellt (wer das Material im Original kennt, kann den Befund nur bestätigen). Dem Divertimento ist das Fragment eines G-Dur- Streichtrios beigegeben, an dem die Praxis zumindest das Vergnügen einer ausgearbeiteten Satzexposition finden mag, freilich auch die Enttäuschung eines unvermittelten Abbruchs nach wenigen Durchführungstakten erleben muß. Wer weniger an den Spielmaterialien und mehr an Partituren zum Studiengebrauch interessiert ist, der sollte beim Quintett und Divertimento (samt Fragment) zur jeweiligen Studien-Edition im vergrößerten Taschenformat greifen. Textidentisch mit den ,großen' Ausgaben, eröffnen die beiden Bände eine bequeme (und wohlfeile) Möglichkeit des eingehenden analytischen Studiums der Noten. ... Alle Ausgaben enthalten Vorworte mit knappen Abrissen der jeweiligen Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte; bei den Kammermusikwerken sind außerdem Bemerkungen zur Textgestalt beigegeben. Fazit: Diese "taubenblauen Urtexte" sollten den Weg auf viele Notenpulte finden!
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