Franz Schubert
Variationen über „Trockne Blumen“ e-moll op. post. 160 D 802
Wie im Falle des „Forellen“-Quintetts (D 667), der „Wanderer“-Fantasie (D 760) und seines Streichquartetts „Der Tod und das Mädchen“ (D 810) verwendete Franz Schubert auch in den Flöten-Variationen über „Trockne Blumen“ (D 802) eines seiner Lieder als thematische Grundlage einer Instrumentalkomposition. „Trockne Blumen“ ist das achtzehnte Lied im Zyklus „Die schöne Müllerin“ (D 795) – komponiert im Herbst 1823. Im Januar 1824, noch bevor alle Müller-Lieder veröffentlicht waren (Sommer 1824), entstanden Thema und Variationen e-moll für Flöte und Klavier, denen Schubert eine gewichtige Introduktion voranstellte. Das Werk blieb Schuberts einzige und einzigartige Virtuosenkomposition für Flötisten. Unerhört schwer zu blasen und übrigens auch zum Teil äußert heikel auf dem Klavier zu „begleiten“. Schuberts vielfach eigenhändig überarbeitete Handschrift ist die einzig verbindliche Quellengrundlage für den Urtext, denn sein Autograph diente nachweislich als Stichvorlage für den postum veröffentlichten Erstdruck. Eine der Variationen strich er komplett wieder aus – die Henle-Urtextausgabe gibt sie, mehr zu Informationszwecken als zur Aufführung gedacht, im Anhang wieder.
Inhalt/Details
Über den Komponisten
Franz Schubert
Er ist nicht nur Inaugurator des Kunstliedes und dessen bedeutendster Komponist im 19. Jh., sondern hat in seinen Instrumentalwerken ein der Wiener Klassik entgegengesetztes kompositorisches Konzept verwirklicht. Seinen „himmlischen Längen“ liegt eine Zeitgestaltung zugrunde, die nicht nach dem Prinzip der Prozessualität funktioniert, sondern das Verweilen thematisiert; Veränderungen geschehen meist nicht in kontinuierlicher Entwicklung, sondern durch einen plötzlichen Einbruch. Seine kunstvollen Lieder widersprechen dem Einfachheitsideal der zeitgenössischen Liedästhetik und begründen das Kunstlied des 19. Jh.s, sie gelten als vorbildlich für die nachfolgenden Komponistengenerationen; sie werden durch komplexe Harmonik, Integration von Idiomen der Instrumentalmusik, semantischen Modellen und einem neuen Verhältnis zwischen Text und Musik bestimmt, indem das Gedicht durch die Komposition insgesamt interpretiert wird statt nur durch das Ausmalen von einzelnen Textworten. Sein trotz kurzer Lebenszeit immenses Œuvre umfasst 600 Lieder, darunter seine beiden berühmten Liederzyklen; 7 vollendete und mehrere unvollendete Sinfonien (darunter die „Unvollendete“ h-Moll), weitere Orchesterwerke; zahlreiche Kammermusikwerke; 14 vollendete und mehrere unvollendete Klaviersonaten sowie weitere Klavierstücke, Tänze für Klavier und vierhändige Klavierwerke; 6 Messen und andere geistliche Kompositionen; zahlreiche Stücke für Chor bzw. Vokalensemble, vor allem für Männerstimmen. Obwohl er auch zu jedem Genre des Musiktheaters beigetragen hat und ihm von seinen Freunden eine Opernkarriere vorausgesagt wurde, wurden von seinen 10 vollendeten Opern nur zwei zu seinen Lebzeiten sowie die Schauspielmusik zu „Rosamunde“ aufgeführt.
1797 | Er wird am 31. Januar in Himmelpfortgrund bei Wien als Sohn eines Lehrers geboren. Erste Klavierstunden bei seinem Bruder Ignaz, Violinunterricht im Alter von 8 Jahren bei seinem Vater. |
Ab 1808 | Sängerknabe in der Hofkapelle; Besuch des kaiserlich-königlichen Stadtkonvikts, er spielt Violine in deren Orchester. Unterricht bei Antonio Salieri, der den von Mozart, Haydn und Beethoven Begeisterten von der ital. Oper zu überzeugen versucht. Erste erhaltene Kompositionen. |
1811 | Komposition seines ersten Liedes „Hagars Klage“. |
1813–14 | Besuch der Normalhauptschule, danach unterrichtet er in der Schule seines Vaters. |
1813/14 | Komposition der Zauberoper „Des Teufels Lustschloss“ und der Sinfonie Nr. 1 D-Dur in klassischer Form. |
1814 | Komposition der Messe F-Dur D 105. Er schreibt Lieder, die er nach Dichtern gruppiert, z. B. nach Matthisson und Goethe, darunter „Gretchen am Spinnrade“, das den Beginn des Kunstliedes markiert. |
1815 | Komposition der Singspiele „Claudine von Villa Bella“ nach Goethe und „Der vierjährige Posten“. Vollendung der Sinfonie Nr. 2 B-Dur und Komposition der Sinfonie Nr. 3 D-Dur sowie der Messen Nr. 2 G-Dur und Nr. 3 D-Dur; u.a. das Lied „Erlkönig“. |
1816 | Komposition von 110 Liedern, der Sinfonien Nr. 4 c-Moll und Nr. 5 B-Dur, der Messe C-Dur. Er verlässt das elterliche Haus, unterbricht seine Lehrerstelle und zieht zu Schober. |
1817 | 60 Lieder, darunter die bekannten „Der Schiffer“, „Ganymed“, „An die Musik“, „Die Forelle“, „Gruppe aus dem Tartarus“, „Der Tod und das Mädchen“. Allmählich werden seine Kompositionen (sein Œuvre umfasst bereits rund 500 Werke) aufgeführt. Rückkehr ins Elternhaus. |
1818 | Er unterrichtet die Töchter des Grafen Johann Karl Esterházy. Komposition von vierhändigen Klavierstücken. |
um 1819 | Komposition des Klavierquintetts A-Dur („Forellenquintett“). |
1820 | Uraufführung des Melodrams „Die Zauberharfe“ und des Singspiels „Die Zwillingsbrüder“ in Wien. U. a. Lied „Frühlingsglaube“. |
1821 | Erste Schubertiade: geselliger musikalisch-literarischer Abend des Schubert-Kreises. Publikation der Lieder „Erlkönig“ und „Gretchen am Spinnrade“ sowie weiterer Goethelieder und von 36 Tänzen. |
1821–22/54 | Komposition/Uraufführung von „Alfonso und Estrella“, einer der frühen durchkomponierten dt. Opern. |
1822 | Vollendung der Messe As-Dur; Sinfonie Nr. 7 h-Moll („Unvollendete“); Wandererfantasie C-Dur für Klavier, die in einem Satz die vier sinfonischen Satzcharaktere vereint. |
1823 | Komposition des Singspiels „Die Verschworenen“ (Uraufführung in Frankfurt a. M. 1861), der heroisch-romantischen Oper „Fierrabras“ (Uraufführung in Karlsruhe 1897) und der Schauspielmusik zu „Rosamunde“, die in Wien uraufgeführt wird. Liederzyklus „Die schöne Müllerin“, Lieder u. a. „Auf dem Wasser zu singen“, „Lachen und Weinen“; Klaviersonate a-Moll D 784. |
1824 | Nochmals Lehrer der Kinder des Grafen von Esterházy. Streichquartett d-Moll („Der Tod und das Mädchen“). „Wandrers Nachtlied“ („Über allen Gipfeln ist Ruh“). Die Klaviersonate gewinnt an Gewicht. |
1825 | Lange Ferienreise, u. a. nach Gmunden-Gastein, dort Komposition der Großen Sinfonie C-Dur (Nr. 9 bzw. 8), in der die klassische Form erheblich erweitert wird (z. B. Horn-Motto am Beginn, Zeitgestaltung). |
1827 | Liederzyklus „Winterreise“ (Kontrast von Traum- und Realitätsebenen); Deutsche Messe; 4 Impromptus für Klavier; Klaviertrios B-Dur D 898 und Es-Dur D 929. |
1828 | Publikation der 6 „Moments musicaux“ für Klavier. Komposition der letzten 3 Klaviersonaten c-Moll, A-Dur und B-Dur (letztere mit der Tendenz zum Esoterischen), des Sonatensatzes a-Moll (Lebensstürme) für Klavier zu 4 Händen, der Messe Es-Dur. „13 Lieder nach Gedichten von Rellstab und Heine“ (postum „Schwanengesang“). Im März Konzert, das nur seiner eigenen Musik gewidmet ist. Er stirbt am 19. November in Wien. |
Über die Autoren
Wolf-Dieter Seiffert (Herausgeber)
Dr. Wolf-Dieter Seiffert, geboren 1959 in Frankfurt/M., studierte Musikwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als Stipendiat der „Studienstiftung des Deutschen Volkes“ wurde er 1990 über „Mozarts frühe Streichquartette“ promoviert (Rudolf Bockholdt). Im selben Jahr trat Seiffert in den G. Henle Verlag als Lektor ein. Die Günter Henle Stiftung finanzierte ihm ein berufsbegleitendes kaufmännisches Studium an der Universität St. Gallen, KMU-HSG, das er mit Diplom abschloss. Seit 2000 ist Seiffert geschäftsführender Verlagsleiter.
Seiffert hat zahlreiche Urtextausgaben im G. Henle Verlag vorgelegt, überwiegend von Werken Mozarts.
Klaus Schilde (Fingersatz)
Prof. Klaus Schilde, geboren 1926, verbrachte seine Jugend in Dresden. Entscheidende Impulse erhielt er dort durch Walter Engel, der ihn in Klavier (Kodalyi-Methode), Komposition und Violine unterrichtete. Von 1946–1948 studierte er an der Musikhochschule Leipzig bei Hugo Steurer und nach der 1952 erfolgten Übersiedlung in den Westen bei Walter Gieseking und Edwin Fischer, sowie bei Marguerite Long, Lucette Descaves und Nadia Boulanger in Paris.
Schilde gewann zahlreiche Preise. Von 1947 an konzertierte er als Solist und Kammermusiker auf nahezu allen Kontinenten mit renommierten Orchestern. Lehrtätigkeiten unterhielt er an den Musikhochschulen Berlin-Ost, Detmold, Berlin-West, München, Tokio (Geidai) und Weimar. Von 1988–1991 Präsident der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater München, an der er auch jahrzehntelang als Professor unterrichtete. Es gibt mit Klaus Schilde zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen sowie CD-Einspielungen. Schilde hat für nahezu 100 Urtextausgaben des G. Henle Verlags seine Fingersätze beigesteuert.
Prof. Klaus Schilde verstarb am 10.12.2020.
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